Let’s talk Tacheles

Was ist des Deutschen Tugend?
Wofür sind Deutsche im Ausland bekannt?
Ganz einfach.

Meckern.

Es gibt ja auch immer etwas, worüber es sich lohnt zu meckern: die Arbeit, das Wetter, Tabellenliste der Bundesliga, des Nachbarns neuer Gartenzaun..

Warum ist das eigentlich so?
Hilft uns das, unsere eigenen Probleme anzugehen? Oder verbindet es uns und wirkt unterstützend in unserer sozialen Stellung, wenn wir gemeinsam über das Wetter meckern?

Letzteres kann ich mir gut vorstellen. So in etwa wie bei lästernden Frauen, die sich über die schreckliche Frisur der Konkurrenz Gedanken machen.

Bei dieser Art meiner Reise werde ich natürlich immer wieder auf Menschen treffen, mit denen ich nicht hundertprozentig auf einer Wellenlänge schwimme. Und das ist auch völlig in Ordnung für mich – solange ein gewisses Maß an Respekt vorherrscht. Damit meine ich nicht nur mir, sondern vor allem auch anderen Mitmenschen gegenüber.

Nachdem ich auf der HippoLodge eintraf unterhielt ich mich beim Mittagessen angeregt mit meinen Gasteltern über das Leben in Afrika.
Ich staunte nicht schlecht, was die Beiden nach 25 Jahren hier schon alles auf die Beine stellten und erlebt haben.
Mit einer Sache hatte ich allerdings nicht gerechnet: dass Rassismus selbst bei Auswanderern vorherrschen kann.

Hass auf die Menschheit und Kultur auf das Land, welches man zu seiner Wahlheimat erklärte.

Im Laufe der nächsten Wochen wurde mir von den Beiden erklärt, dass die „Schwatten dumm wie Brot“ seien, stets „frisch gevögelt“ zur Arbeit kommen und „nichts können, außer dumm rumzuglotzen oder einen Besen zu halten“.
Weiterhin wurde mir ein Video gezeigt, in dem amerikanische Wissenschaftler „bewiesen“, dass das Gehirn von Schwarzen in etwa so entwickelt sei wie das eines geistig Behinderten.
Eines geistig behinderten Weißen.

Im Vorfeld hatte ich mir einige Situationen ausgemalt, um auf möglichst Vieles vorbereitet zu sein – aber diese leider reale Situation sprengte meine Vorstellungskraft.

Ich erkannte, dass die Sprachbarriere ebenfalls ein großes Problem zu sein schien. Günther sprach nur einige Brocken Englisch und wies die Arbeiter auf Deutsch an, was sie zu tun hätten. Damit einhergehend wurden einige Fehler gemacht, an denen selbstverständlich die Arbeiter schuld waren.

Mir erschien es so konfus, dass ein Pärchen dem deutschen Alltag entflieht um nach Afrika auszuwandern; dorthin, wo eine andere Mentalität, Religion und generelle Lebensweise herrscht, um dann diesen Menschen die eigene Mentalität aufzwängen zu wollen.

Der Tropfen, der dann das Fass zum Überlaufen brachte war folgende Situation: Günther fiel von der Leiter, weil er sie schief an eine Mauer lehnte. Schmerzerfüllt hielt er sich die Schulter, während er lauthals auf die „Schwatten“ schimpfte, die zu blöd seien, ihn aufzufangen oder sonst irgendwie zu reagieren. Und außerdem sollten eh alle Schwatten Deutsch lernen, denn vor zig Jahren wäre Deutsch beinahe eine Weltsprache geworden..

Ich beschloss, mich nach anderen Möglichkeiten via workaway.com umzusehen.

Ich bin definitiv keine Person, die gerne Situationen klärt oder unangenehme Dinge anspricht (gibt es überhaupt Menschen, die das gerne tun?) und ich tat mich sehr schwer in der Entscheidung, mit den Beiden Tacheles zu reden.
Wie ich es mir ausgemalt hatte, stieß ich auf Unverständnis und auf ein „Aber wir sind doch keine Rassisten oder so was“…

Ich hatte meines Erachtens nach zwei Möglichkeiten: entweder versuche ich die Beiden dazu zu bringen, sich zu reflektieren, oder ich belasse es dabei und hebe mir meine Energie für andere Dinge auf.
Ich entschied mich für Letzteres, denn wenn ich eins gelernt habe, dann ist es dass ich sehr auf meinen Energiehaushalt achte und für mich selber sorge, und dies heisst dann in meinem Fall auch, mich aus negativen Kreisen zu entfernen.

 

Im Hostel in Windhoek hatte ich liebe Menschen kennen gelernt, mit denen ich weiterhin in Kontakt stehe und so entschied ich mich dazu, mich nicht wie geplant mit ihnen für einige wenige Tage an den Victoria Fällen zu treffen, sondern sehr spontan für zwei Wochen in Kapstadt zusammenzufinden.
Ausserdem hat mir meine favorisierte Familie aus Windhoek zurück geschrieben: ich darf drei Wochen mit zwei super süßen Kindern verbringen.
Yeah, endlich ein Lichtblick!

 

Ich habe ziemlich lange mit mir gehadert, ob ich über dieses empfindliche Thema schreibe oder es bequemerweise sein lasse.
Mir ist es jedoch ein großes Anliegen, authentisch zu sein und nicht nur die schillernde, magische Glitzerwelt des Reisens darzustellen.

Let’s talk Tacheles.

5 Kommentare

  1. Solche Leute korrigieren, missionieren oder versuchen, ihnen ein glücklicheres Weltbild mit Respekt zu vermitteln, ist sicher vergebliche Mühe und führt zu nichts. Das einzige, was man tun kann, ist das eigene menschenoffene Verhalten deutlich vorzuführen. Vielleicht lernen sie etwas daraus, aber eigentlich glaube ich nicht daran. Stumpfheit aus den Köpfen zu kriegen dauert manchmal Generationen. 😑

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